Gute und böse Mächte
Unveröffentlichter Doku-Roman, ca 408 Seiten
Wilhelm Weglehner
Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um den Versuch, anhand einer fiktiven Nachvollziehung der letzten Stunden des evangelischen Pastors Dr. Dietrich Bonhoeffer in einer Zelle des Konzentrationslagers Flossenbürg, dem Leser eine Retrospektive zu eröffnen über die realen Geschehnisse seines Kampfes gegen die Nazi-Diktatur.
Unter den Kapitelüberschriften ?Sonderhäftling Bonhoeffer, Arrestbau? werden, abweichend von einer der üblichen durchgehenden biographischen Darstellungen samt inhärenten Kommentaren oder Bewertungen, also bewußt nicht in exakt chronologischer Reihenfolge, sondern gewissermaßen wie die bekannten filmartigen Erinnerungen eines Ertrinkenden an der Schwelle zwischen Leben und Tod, Stationen, die dem Inhaftierten wahllos ins Gedächtnis zurückkehren, in einer extrem zerrissenen psychischen Situation, begleitet von wahnwitzigen Alpträumen und grotesken Trugbildern, beschrieben.
Es sind dies insbesondere die eigenen, nie bewältigten Schuldgefühle, beispielsweise in der Frage des Paragraphen zur Entfernung von Nicht-Ariern oder Halb-Ariern aus dem Staats- und damit auch dem Kirchendienst, dem sogenannten ?Arierparagraphen?, zwar im Rahmen der tradierten lutherischen, freilich antijudaistischen Theologie und/oder hinsichtlich der Untätigkeit bzw. Halbherzigkeit gegenüber der verbrecherichen ?rassehygienischen Eugenik? der Nazis geredet, diskutiert, geschrieben, darüber hinaus aber nicht konsequent ethisch genug gehandelt zu haben.
Demgegenüber steht die im Verlauf einer quälenden Auseinandersetzung mit sich selbst erdrückende Frage, ob er mit seiner Entscheidung für den gewaltsamen Widerstand bis hin zur Billigung des Tyrannenmords über die ethische Norm hinaus sogar Unrecht getan, gegen den Willen Gottes verstoßen hat.
Alles ist verwoben in einen wie ein Damoklesschwert über ihm drohenden schrecklichen Gefühlskampf zwischen einer manchmal geradezu fatalistischen Heiterkeit, ihm könne nichts passieren, weil die Amerikaner nicht weit seien, einer irgendwo im Dunkel versteckt lauernden Angst vor der Unberechenbarkeit des Schicksals, offener Verzweiflung in Todesangst und wieder unbekümmerter Hoffnung in Verbindung mit potentiellen Schikanen des SS-Wächters im Arrestbau.
Anhand von zumeist wörtlich wiedergegebenen Dokumenten wird sowohl die Rolle der systemkonformen Deutschen Christen als auch die der dem Anschein nach Bekennenden Kirche durchleuchtet.
Aus dem Roman werden hier drei Traumbilder wiedergegeben, wie Bonhoeffer sie in dieser Haftsituation gehabt haben könnte, sowie die fiktive Apologie des bis dato unbekannten weiteren Beisitzers im ?Gerichtsverfahren? von Flossenbürg am 9. April 1945, das mit dem sofort vollstreckten Todesurteil über Bonhoeffer endete.
Bonhoeffer, Traum 1
Bonhoeffer starrte auf seinen Unterarm. Wann würden sie endlich kommen, ihn zu tätowieren. Ihm ein Kainsmal ihrer Art in die Haut brennen?
Ja, er wünschte es sich. Er wünschte, dieses Mal zu tragen, damit er dazugehörte zu der kleinen Schar derer, die sich nicht gebeugt hatten. Ein äußeres Zeichen des Unrechts tragen für alle irdische Zeit. Eine quantitative Größe, eine bleckende Ziffer der Gewalt- und Schreckensherrschaft der Gottlosen.
Die Länge der Nacht fing an ihn zu quälen.
Ein weites Tal schob sich unaufhaltsam und gefräßig in die Nacht, tief eingeschnitten und flach zugleich, ohne Ränder, ohne Horizont, denn da, wo die Ränder hätten sein müssen, zogen sich dicke, dunkle Linien hin, an einigen Stellen violett aufgeplustert. Wo hatte das Tal ein Ende? Kein Ende war in Sicht. Aus der Endlosigkeit wuchsen die grauenhaften Umrisse eines Geiers, der schwer mit den Flügeln zu schlagen begann, sich erhob in die Paukengestalt der Dunkelheit. Der Vogel, der Urechse gleichend, schraubte sich empor, kreiste über der umgestülpten Kesselpauke und stieß urplötzlich hernieder auf den Grund des Tales, wo hunderte von schwarzen, traurigen, starren, duldsamen Lämmeraugen zuhauf lagen, brutal herausgeschält aus tiefen Höhlen. Im Sturzflug schlugen seine Schwingen heftig gegen den freien Fall, der Gierige staubte mitten in die toten Augen und hackte, zerrte, hieb, trat und krallte mit giftiggelben dreizehigen Füßen in dem Haufen umher, bis gellende Schreie und das verzweifelte Wimmern von Kindermündern aus den toten Augen brachen und sich in der Weite des Tales verloren, zerteilt und hinaufgehoben vom Wind der Winterfrühlingsmächte in die Endlosigkeit.
He, Pfaffe! Du schreist und wimmerst wie eine Memme? Dann hast du endlich kapiert, was los ist.
Bonhoeffer, Traum 2
Eins… zwei… drei… dreiviertel. Ein seltsamer Glockenschlag ist das, so blechern, unharmonisch, als hätte die Stundenglocke einen Sprung. Und überhaupt: Seit wann schlägt denn die Sterbeglocke die Viertelstunden an? Man wird mal nachsehen müssen nach dieser Glocke. Meine Güte, nur noch eine Viertelstunde bis zum Beginn des Gottesdienstes. Was fesselt mich so lang ans Bett, daß ich mich kaum bewegen kann? Ich muß doch raus, rüber in die Kirche zum Gottesdienst; ein wichtiger Gottesdienst, hatte nicht Karl Barth es tags zuvor gesagt, ausdrücklich darauf verwiesen, daß gerade deswegen der junge Kollege ihn halten sollte. Um sich endlich zu bewähren, um die Gerechtigkeit Gottes zu verkünden mit lauter Stimme. Und seine Miene war streng gewesen bei diesen Worten.
Bruder Bonhoeffer, sind Sie noch nicht auf? Wo bleiben Sie denn? Denken Sie mir ja an den Gottesdienst, ich verlasse mich auf Sie. Wir sehen uns dann zum heiligen Abendmahl, ich werde Ihnen zuerst die Absolution erteilen, vor den Augen der Gemeinde – falls Sie Ihre Sache gutgemacht haben. sonst nicht. Sonst kommen nur die anderen dran, die Deutschen Christen, der Führer wird auch da sein und mir bei der Austeilung assistieren, ich hoffe, Sie machen dann nicht wieder Rabatz, verstanden?…
Warum ist es so stockdunkel in der Kirche? Wie soll ich meine Predigtstichpunkte erkennen? Mann, es hängt so viel davon ab, daß ich meine Stichpunkte sehen kann. Licht! Mesner, machen Sie doch endlich Licht! Wollen Sie, daß ich meine Predigt nicht halten kann?
Ich kann nichts sehen! Womit wollte ich beginnen? Um Himmels willen, womit wollte ich nur beginnen? Es ist alles weg, leeres Blatt, ausgelöscht, kein Anfang. Mein Kopf! Hilf mir, Kopf, ich wußte es auswendig, wo ist es hingeflogen, wenn schon das Blatt keinen Stichpunkt mehr hergeben will. Großer Gott, hilf, daß ich mich besinnen kann, womit ich beginnen wollte, das weitere kommt dann doch von selbst… nein, nicht die Hochzeit von Kana, so ein Blödsinn, Wein zur Eucharistie haben die hier genug, Karl Barth sorgt sogar dafür selbst, denn er ist ein Ehrenmann, der nichts vergißt… wo ist mein Stichpunktzettel, wo ist der Lichtschalter, Mesner!! Doch nicht gleich so hell, Mann!
Bonhoeffer schrak hoch und sprang auf. Grell blendete die 100-Watt-Lampe seine geschwollenen Augen.
Bonhoeffer, Traum 3
Das Gesetz… dieses Gesetzblatt vom… Kirchengesetz… wie lautet es? Der Arierparagraph… Paragraphen… Thesen, waren es 95 Thesen? Schloßkirche zu Wittenberg? Verflixt und zugenäht, die Zeit läuft und läuft, alle anderen schreiben, daß die Füller kratzen auf ihrem Prüfungspapier… ich werde es wieder nicht schaffen, wieder versagen in der Prüfung, ich schaffe das Examen nicht… waren es 33 Paragraphen? Wie soll ich den Text zustandebringen, wenn ich nicht mal die Zahl der Paragraphen… nein, Unsinn, das Jahr 33 war es… Gesetzblatt-Nummero… nein, Gesetzes- und Verordnungsblatt… schon wieder diese stechenden Augen, der Geier ist schon wieder da, seit wann führt ein Geier die Aufsicht über das Examen? Jetzt, Gesetzes- und Verordnungsblatt Nummero 27, ich danke dir, Gott, hilf mir weiter, den Text brauche ich… weg mit diesem Geier, sein Flügelschlag… er bläst mir die Gedanken aus dem Kopf, auf und davon, halt!… welche Landeskirche?? Hessen… Lübeck… was reißt du den Schnabel auf, den schwarzen Hackschnabel, du scheußliches Untier?… Sachsen! Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt Sachsen! Gegeben zu Dresden… September 33… geschafft! Nein, den Text brauche ich, den Text, ungenügend, Bonhoeffer, ab an die Front, du Versager, hinaus aus Schlawe, du bist k.v., an der Front wirst du es lernen, daß du fleißiger sein mußt, um das theologische Examen zu schaffen… wenn du die Front überlebst, he, he, he!… du lachst, du Geier, du lachst über meinem Elend? Mach das Maul zu!… Nummero 27… wenigstens die Präambel, die muß ich zusammenkriegen, noch fünf Minuten Zeit… die Präambel, großer Gott, die Präambel nur, vielleicht dann ausreichend, keine Front!… Verordnung… Verordnung… Verordnung… weiter! weiter! noch zwei Minuten … zur Führung… nein, zur Herbeiführung eines… schreibe, Hand, schreibe, lahme Hand! … eines kirchlichen… eines kirchlichen… los, los, weiter! … und… und… o weh, der Geier sammelt die Prüfungsbögen ein, warte! … und nationalsozialistischen Berufsbeamtentums… geschafft! Geschafft! Ausreichend, das gibt ein Ausreichend, Bonhoeffer! Sie sind durch, durchgerutscht durch die Frontlinie! Glück gehabt, Bruder Bonhoeffer… Bruder Steinbauer? Sie hier? Sie husten, Bruder Steinbauer?… Ja, nicht so schlimm, Lungensteckschuß, von der Front. Bleibt Ihnen erspart, Bruder Bonhoeffer… vorläufig… Ich dachte, Sie sind in den Ruhestand versetzt, Bruder Steinbauer, das Gesetzblatt, so steht es im Gesetzblatt, kann ich meinen Prüfungsbogen nochmal haben, Bruder Steinbauer? Bitte, das gehört noch dazu, bitte… In den Ruhestand? Ha, ha, ha, ha, selten so gelacht, Bonhoeffer, nein, an die Front versetzt, Bonhoeffer… den Prüfungsbogen kriegen Sie nicht mehr, den hat mein Geier zerfetzt, der hier, ja, der die Bögen einsammelte… ich hab´ nämlich einen neuen Beruf, Bonhoeffer, ich richte Greifvögel ab, zur Jagd… zur Jagd auf Juden und Zigeuner, der riecht das Gesindel zehn Kilometer weit, ein tüchtiger Geier… Aber… aber, Bruder Steinbauer, Sie haben doch den Eid… verweigert… den Eid auf den Führer… Ja, freilich, Bonhoeffer, das war einmal, ist lange her, heute leisten alle den Eid… mit frohem Herzen sogar, weil der Führer uns befreit vom jüdisch-bolschwistischen Unglück, Sie sollten jetzt auch endlich Vernunft annehmen, Bonhoeffer, bedenken Sie nur: Bald kommt das nächste Examen, dann, ja dann, sehe ich schwarz für Sie… dann kann ich Ihnen auch nicht mehr helfen, weil ich Kapo bin im Steinbruch da oben, wo die Burg draufsteht… Wo geht´s nach Sachsen, Bruder Steinbauer, sagen Sie mir wenigstens, wo´s nach Sachsen geht… Nach Sachsen? Das ist doch gleich da oben, hinter der Burg. Was wollen Sie denn in Sachsen?… Ich will das Gesetz suchen, Bruder Steinbauer, das Ariergesetz der Kirche, weil ich fleißiger lernen möchte… Soll ich geschwind meinen Geier nach Sachsen schicken, Bruder Bonhoeffer?… Nein, nein, wenn es so nahe ist, fliege ich gleich selbst, ach, die schönen Berge, auch Ettal ist ganz nahe, ihr lachenden Barockengel, wollt ihr mit mir fliegen? Laßt euere Gottesmutter unten, das Kind ist groß genug, es soll endlich auf eigenen Füßen stehen, seht meinen satten Flügelschlag, die Thermik ist gut hier, dort unten steigt Rauch aus hohen Schlöten auf, warmer, merkwürdig stinkender Rauch über umzäunten Arealen, er unterstützt die Thermik, auf, der Sonne entgegen!… Nicht so hoch. Ikaros, die Sonne ist dein Feind!… Ach, du, Schwager Hans, was sorgst du dich? Warum soll ausgerechnet die Sonne mein Feind sein in diesen schwarzen Apriltagen, Schwager Hans? Mein Feind ist der Geier, sieh doch, Hans, es ist kein richtiger Geier, es ist Huppenkothen, der mir ans Leder will, die Sonne wird ihn blenden… auch du, Mutter, willst mich abhalten vom Licht der Sonne? Streck nur deine Hände nach ihr, ich sehe sie ganz deutlich, deine Hände, Mutter… Das Gedicht, Dietrich, ich vergaß das Gedicht, das du für mich schriebst, trage es mir vor, bitte… Aber gerne, liebe Mutter, so höre: Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, – so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr; noch will das alte unsere Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwer Last. Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast. Und reichst du uns den schweren Kelch, den bitteren, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus Deiner guten und geliebten Hand. Doch willst du uns noch einmal Freude schenken an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, dann woll´n wir des Vergangenen gedenken, und dann gehört dir unser Leben ganz. Laß warm und hell die Kerzen heute flammen, die du in unsre Dunkelheit gebracht, führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen! Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht. Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so laß uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all Deiner Kinder hohen Lobgesang. Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiß an jedem neuen Tag… Bravo, Dietrich, mein guter Junge, das ist viel gescheiter als dein Examen… hörtest auch du es, Gerhard Leibholz, guter Schwiegersohn, und du, Sabinchen? Stolz könnt ihr sein auf Dietrich … Papperlappapp! He, Schwager! Wach auf! Es gibt noch viel mehr Geier, die dich zerhacken wollen, die sagen, wir Pfarrer sind in Not und müssen uns verbünden, doch sie sind halbherzig, Dietrich! Schau nur, ihre Schwurhand, ich werde dem Führer Adolf Hitler treu und gehorsam sein …. paß auf, der Geier Huppenkothen, er ist hinter dir, o Gott, er zerrt ihn in die Tiefe… ha, ha, ha, Dietrich, unter uns ist England, was kann der Geier Huppenkothen dir antun? Komm mit mir, dort unten wartet Sabinchen im Nest von Chichester… Los, Sturzflug!… Nein, ich glaube dir nicht, Gerhard….
Eins – zwei – drei – vier… Eins, zwei, drei…
Sonderhäftling Bonhoeffer blinzelte in die 100-Watt-Birne.
Drei Uhr. Gerhard? Sabine?… Mutter? Hans? Wo seid ihr?…
Anonymus
Ich, zweiter Beisitzer ohne Identität
Man kennt mich nicht, obwohl ich der Jedermann bin. Wie du, und du, und du dort. Keiner kennt meinen Namen und wird ihn je erfahren. Außer denen, die dabei waren. Und nicht einmal die wissen alle, wer ich bin. Wer es weiß, wird meinen Namen nicht preisgeben, weil er dann mit Konsequenzen für sich selbst rechnen muß. Ich bin Anonymus. Ich stehe stellvertretend für die, die durch die Maschen einer Gerechtigkeit schlüpfen, die mir unbekannt ist, die nicht zur Verantwortung gezogen werden für das, was sie taten. Ich fühle mich im Recht, denn ich bin unbelehrbar. Grundsätzlich und für alle Zeit. Ich wäre dumm, würde ich mich stellen. Sie würden mich töten. So wie ich tötete.
Ich bin böse von Grund auf. War ich schon immer, habe Fliegen gequält, meine Freunde hinterhältig abgepaßt, sie verdroschen, verraten und ans Messer geliefert. Ich habe gelogen, gestohlen, betrogen, mein ganzes Leben lang und mir nichts dabei gedacht. Nein, sogar gefreut habe ich mich darüber. Gelacht, während ich es tat. Es verschaffte mir manches Mal sogar Lust, richtige Fleischeslust, ja, so war es …
Ich meldete mich freiwillig zu dieser Farce. Koegel wollte nämlich ursprünglich einen Häftling zwingen, Beisitzer zu machen. Ihn in eine Uniform stecken. Versprach ihm die sofortige Freilassung. Doch der Narr weigerte sich. Da meldete ich mich. So, wie ich mich zu den Totenköpfen gemeldet hatte und erreichte, was ich wollte. Ich wollte endlich der Jemand sein, nicht nur der Jedermann. Und mich bereichern. Das schaffte ich. Ich werde es auch weiterhin tun, warum nicht?
Man wird sagen, ich bin ein Schwein. Mir einerlei. Sie werden mich nicht kriegen. Meinen richtigen Namen werde ich mit ins Grab nehmen, irgendwann einmal, denn ich werde einen neuen haben, eine neue Identität. Ich werde unter euch leben oder im Ausland, bei Helfern, die in einer ähnlichen Lage sind wie ich. Wir halten zusammen. Und wir werden versuchen, unserer bösen Gesinnung treu bleibend, hier oder dort unsere verbrecherischen Überzeugungen zu verwirklichen. Von vorne anfangen.
Ich stimmte ihrem Tod zu. Aus meiner Überzeugung zum süßen Unheil. Ihr könnt von mir aus ruhig sagen: Aus niedrigen Beweggründen. Vielleicht bin ich doch ein Schwein, ein Haufen stinkender Unrat. Mir egal, denn erstens liebe ich Schweine und ihren Unrat, und zweitens werde ich leben. Vielleicht war ich ja auch schon ein Schwein, als ich geboren wurde. Ich folterte und mordete. Wie oft ich mordete, weiß ich nicht mehr. Es war nur eine Bewegung des Zeigefingers. Dann setzte ich mich zu Tisch, zum Beispiel, aß und trank mit großem Appetit.
Man wird mir nichts nachweisen können. Ich lebe, ja, weil ich mich für den Tod dieser Verblendeten und den Tod anderer entschied. Ich saß über sie zu Gericht. In der schwarzen Uniform, die für mich einst zum Sprungbrett wurde. Ich hatte keine solche Überzeugung wie die da, die ich mitmordete. Ich hatte auch keine Überzeugung wie die Zweihundertprozentigen. Im Grunde war ich nämlich kein Nazi. Ich war überhaupt nichts. Meine Überzeugung war das Weiterkommen, wenn nötig, über viele Verbrechen. Für mich waren das keine Verbrechen. Im Gegenteil. Ich bin der stolze Barrabas, ich bin der schlaue Schächer, der gerissenste Halunke auf der Welt. Und ich lebe weiter wie alle Halunken.
Nur die Dummen opfern sich.